Der einstige Technologieführer im VW-Konzern hat Zukunftsthemen hinausgezögert. Es ist unklar, wie die Marke wieder nach vorne kommen soll. Von Georg Kacher
Die Stimmung beim Mittagstisch im Italiener am Nordfriedhof - in der nahen Audi-Zentrale als Café Tod seit Jahrzehnten ein Begriff - schwankt zwischen Fatalismus, Frust und Zukunftsangst. In dem schmucklosen Flachbau treffen hippe Digitalos mit LeMans-Käppi auf alte Quattro-Sport-Kämpen im Nadelstreifen. Was sie alle eint, ist die Sorge, dass "die da oben Audi gegen die Wand fahren und wir am Nasenring durch die Manege gezogen werden". Die Hoffnung, aus eigener Kraft den Turnaround hinzubekommen, schwindet von Monat zu Monat. Der neue Vorstandsvorsitzende Bram Schot spricht zwar gebetsmühlenhaft von umdenken, schneller werden, mehr Mut zum Risiko beweisen. Doch um welche Inhalte es geht, das sagt er nicht. Dabei hatte Audi schon unter Stadler viele Zukunftsthemen als potenziell spielentscheidend identifiziert: synthetische Kraftstoffe, Gas und Brennstoffzelle, die spannende Multi-Traktions-Plattform, innovative digitale Geschäftsmodelle, das Auto 2.0 im Internet der Dinge. "An Ideen hat es nicht gefehlt," grummelt ein Mittvierziger in seine Apfelschorle. "Aber wir haben es wieder und wieder versäumt, Entscheidungen zu treffen."
Die Konsequenzen sind spätestens seit dem Dieselbetrug evident. "Nein, Audi ist kein Sanierungsfall," antwortet auf Nachfrage der oberste Strippenzieher Herbert Diess, der Spitzenpositionen querbeet gerne mit alten Seilschaften aus München besetzt. Dabei gibt es in Bezug auf die vier Ringe schon lange nichts mehr schönzureden, denn es fehlt bis heute am Nötigsten - zum Beispiel die volle Bandbreite an nach WLTP-zertifizierten Motoren. Für A 8, A 7, A 6, Q 7 und Q 8 sind weder ein Plug-in Hybrid noch ein Achtzylinder verfügbar - in diesem margenträchtigen Segment ein Unding. Schon zum 1. September steht eine weitere Verschärfung der EU 6-Abgasnorm ins Haus, die Audi vor weitere Probleme stellen dürfte, weil es an Prüfständen und Messtechnikern fehlt. Dass nicht genug Otto-Partikelfilter bestellt wurden, innermotorische Maßnahmen zu spät greifen und die Wassereinspritzung (sie soll den Leistungsverlust ausgleichen) erst Ende 2021 verfügbar sein dürfte, sei nur am Rande erwähnt.
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