Konjunkturelle Eintrübung
Aus aus der deutschen
Konjunktur kommen zunehmend
negative Signale. Für einiges
Aufsehen sorgte die
Veröffentlichung der ifo-Umfrage
zur Kurzarbeit. Kurzarbeit ist
ein deutliches Zeichen für eine
zumindest vorübergehende
Eintrübung der Konjunktur.
Unternehmen greifen zu diesem
Mittel, wenn sich die
Auftragsbücher zwar geleert
haben, dies aber (noch?) nicht
als neuer Dauerzustand
wahrgenommen wird. Insofern
könnte Kurzarbeit auch nur auf
eine kleine konjunkturelle Delle
hindeuten, auf die mit diesem
Instrument flexibel reagiert
werden kann. Andererseits
begannen auch größere
Konjunktureinbrüche zunächst mit
Kurzarbeit. Besonders betroffen
ist laut ifo derzeit der
„Sonstige Fahrzeugbau“. Damit
sind Eisenbahnen, Schiffe und
diverse Formen des
Sonderfahrzeugbaus gemeint, etwa
für das Militär oder die
Raumfahrt. 30% der Unternehmen
in dieser Branche haben
Kurzarbeit angemeldet. Einige
dieser Bereiche sind stark von
staatlichen oder staatsnahen
Aufträgen abhängig, und das
wiederum ist schon auch eine
Aussage über die Haushaltslage.
Das Bittere ist, dass sich die
Politik selbst in Jahren des
Nullzinses als vollkommen
unfähig erwies, etwas in die
Zukunft zu investieren, etwa in
Form sinkender Steuern oder
sinkender Schuldenstände.
Symptomatisch, dass uns der
langjährige Bundesfinanzminister
Schäuble angesichts von
Rekordsteuereinnahmen und einer
milliardenschweren
Zinsentlastung des Haushalts,
die „schwarze Null“ allen
Ernstes penetrant als Erfolg
verkaufen wollte. Tatsächlich
wurden und werden sowohl die
Zinsersparnis als auch die
Rekordsteuereinnahmen konsequent
verfrühstückt. Diese
kurzsichtige Politik wird sich
in einem echten und längeren
Abschwung mit Sicherheit rächen.
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Mikro- vs. Makrosicht
Die Nachrichten aus der vom
Strukturwandel geplagten
Autoindustrie sind dagegen
durchwachsen. BMW konnte zuletzt
sogar leichte Zuwächse der
Absatzzahlen vermelden – zwar
nicht in Europa, jedoch im schon
oft totgesagten chinesischen
Markt. Wobei die traditionelle
Besessenheit der Branche mit
Absatzzahlen für Branchenfremde
ohnehin nur bedingt
nachvollziehbar ist. Denn die
Anzahl der abgesetzten Fahrzeuge
ist vergleichsweise wenig
aussagekräftig. Es macht schon
einen Unterschied, ob etwa der
VW-Konzern einen
vollausgestatten Porsche
Panamera oder einen VW Lupo
ausliefert. In wirtschaftlicher
Hinsicht geht es um
Deckungsbeiträge und Gewinne,
allenfalls noch um Umsätze,
nicht aber um Stückzahlen.
Auch die Nachrichten über
Massenentlassungen sind zwar
plakativ und wären die typischen
Begleiterscheinungen einer
tiefen Konjunkturkrise, halten
einer genaueren Prüfung aber
derzeit noch nicht stand.
Jüngstes Beispiel Deutsche
Bank*: Das Haus ist kein Opfer
der aktuellen Konjunktur.
Vielmehr ist seit Jahren
bekannt, dass die Bank über eine
zu große und zu teure Mannschaft
verfügt, insbesondere im
Investmentbanking – und dieses
Thema wird nun angegangen. Die
Entlassungen sind also nicht
Zeichen des Niedergangs, sondern
viel eher ein Hinweis, dass die
lange anstehenden Probleme
angepackt werden. Auch die
„Massenentlassungen“ bei BASF
sind eigentlich keine. Natürlich
ist der Chemiekonzern ein
geradezu klassischer Zykliker,
aber derzeit hofft man dort
noch, den angekündigten
Stellenabbau weitestgehend im
Rahmen der natürlichen
Fluktuation zu lösen. Eine
Stellenstreichung ist eben nicht
zwangsläufig auch eine
Entlassung.
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Der große Sprung nach vorn
Nachdem wir uns schon lange
nicht mehr mit unserem Freund
Elon Musk und Tesla beschäftigt
haben, wollen wir Ihnen ein
kurzes Update zu den zuletzt
veröffentlichten Absatzzahlen
geben. Musk hat es einmal mehr
geschafft alle Shortseller Lügen
zu strafen. Mit 95.200
ausgelieferten Fahrzeugen liegt
das Unternehmen im zweiten
Quartal 2019 massiv über den
Schätzungen der Analysten und
erst Recht den Erwartungen
seiner Kritiker. Die Aktie
machte deswegen zuletzt einen
großen Satz nach oben und
notiert nun etwa 30% über dem
Zwischentief vor rund einem
Monat. Stimmt unsere negative
These zu Tesla also noch?
Prinzipiell ja, allerdings nicht
mehr zu 100%. Kern unserer
Argumentation war stets, dass
Teslas Schicksal langfristig
nicht durch den Engpass bei der
Produktion, sondern die
wegbrechende Nachfrage
entschieden werden dürfte. Das
erste Quartal 2019 lieferte
dafür quasi die Betätigung. Denn
Tesla konnte zu Beginn des
Jahres lediglich 63.000
Fahrzeuge ausliefern, ein Minus
von mehr als 30% zum Vorquartal.
Für die Short-Seite war klar,
dass Musk nun seine letzte
Munition verschossen hatte. Nach
zwei profitablen Quartalen in Q3
und Q4 2018, die lediglich mit
viel Bilanzkosmetik möglich
waren, landete das Unternehmen
zu Beginn dieses Jahres erneut
in den roten Zahlen. Das
Phänomen Tesla geht nun jedoch
in eine neue Runde. Absturz
abgesagt, könnte man auch sagen.
Dennoch gibt es einige Hinweise,
dass auch die Absatzzahlen im
zweiten Quartal 2019 nur mit
viel Müh und Not erreicht werden
konnten.
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Musk, der Überlebenskünstler
So hat Tesla deutlich geringere
Durchschnittspreise je Fahrzeug
realisiert, in Kanada ein
Subventionsprogramm ausgenutzt
und in den USA davon profitiert,
dass ein staatlicher Zuschuss im
Juni abgelaufen ist. Der große
Käuferstreik ist bislang jedoch
tatsächlich ausgeblieben. Mit
dem Audi e-tron und weiteren
Konkurrenzmodellen belebt sich
zwar in diesem Jahr die
Konkurrenz, Tesla kann sich aber
offensichtlich noch immer als
Innovationsführer halten. Sind
damit alle Argumente gegen das
Unternehmen hinfällig? Nein, das
glauben wir nicht. Die
Konkurrenz für Musk wird weiter
zunehmen, die finanziellen
Engpässe angesichts der kaum
kleiner werdenden Defizite des
Unternehmens nicht verschwinden.
Musk ist jedoch nicht nur ein
Meister der Illusion, sondern
auch ein Überlebenskünstler.
Jeder der seinen
Privatisierungs-Tweet und den
damit einhergehenden
juristischen Ärger im letzten
Jahr als Todesstoß für das
Unternehmen angesehen hatte, lag
bis heute falsch. Wer die
mangelnde Qualität der Autos als
Grund für das Scheitern
eingestuft hatte, bekam
ebenfalls nicht Recht. Nüchtern
analysiert dürfte Tesla auch
2019 dieselbe Wundertüte
bleiben, die es 2018 war. Für
Anleger gilt daher, was der
berühmte Value-Investor Mohnish
Pabrai zu Tesla gesagt hat: Dies
ist ein unglaublich spannendes
Unternehmen, das einen hohen
Unterhaltungswert verspricht.
Aber eines bei dem man weder auf
der Long- noch auf der
Shortseite engagiert sein will.
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Geld schießt Tore?
Mit dem Börsengang der SpVgg
Unterhaching läuft derzeit das
zweite IPO eines Fußballclubs
nach Borussia Dortmund in
Deutschland. Im aktuellen Smart
Investor haben wir uns auf
gewohnt kritische Weise mit dem
Club beschäftigt. Ohne zu viel
zu verraten: Was für einen Club
sinnvoll ist, muss nicht
gleichzeitig auch für dessen
(potentielle) Investoren ein
lukratives Investment
darstellen. Denn im Fall eines
Drittligaclubs (!) gibt es doch
die eine oder andere
Unwägbarkeit, die Anleger
bedenken sollten.
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Zu den Märkten
Naturgemäß reagierte auch der
DAX auf die neuen
Unsicherheiten, allerdings
bislang vergleichsweise
gelassen. Saisonal gehören die
Sommermonate bekanntlich nicht
zur Wohlfühlzone des deutschen
Blue-Chip-Index, weshalb
schlechte Nachrichten eigentlich
eine Steilvorlage wären, um auch
einmal in größerem Umfang
Gewinne mitzunehmen. Schließlich
hatte der DAX seit den Tiefs
Ende Dezember 2018 mehr als
2.000 Punkte zugelegt und damit
eines der stärksten Halbjahre
seiner Geschichte gezeigt. Vor
diesem Hintergrund sind die
aktuellen Kursrückgänge eher
Teil der Normalität als Anlass
zu größerer Sorge. Allerdings
darf in diesem Zusammenhang
nicht vergessen werden, dass
„die Börse“ als Summe der
aggregierten Handlungen der
Marktteilnehmer naturgemäß kein
echtes Vorwissen über die
Zukunft haben kann. Vielmehr
tasten sich die Marktteilnehmer
mit ihren Aktionen der Zukunft
entgegen und erzielen dabei in
jedem Moment einen Konsens über
die aktuelle Bepreisung ihrer
jeweiligen Erwartungen. Dieser
Konsens ist allerdings nur von
flüchtiger Natur. Wenn aber
heute bereits in den
Kommentarspalten der
Wirtschaftspresse der
aufziehende „Sturm“ thematisiert
wird, dann ist die
vergleichsweise Gelassenheit der
Marktteilnehmer schon
bemerkenswert. Diese nehmen
schließlich echtes Geld in die
Hand und haben damit „Skin in
the Game“, während in den
Redaktionen lediglich Buchstaben
aufs Papier gestreut werden.
Brenzlig wird es aller Erfahrung
nach erst dann, wenn die
schreibende Zunft keinerlei
Gefahren identifizieren kann,
während sich die Kurse bereits
im Rückwärtsgang befinden.
Konkret sollte man beim DAX nun
vor allem das Zwischentief bei
12.200 Punkten (vgl. Abb.: grüne
Markierung) und die bekannte
Unterstützungszone zwischen
11.800 und 12.000 Punkten
(gelbes Rechteck) im Auge
behalten. Solange diese Marken
nicht gerissen werden, gibt es
keinen Grund zur Panik.
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Musterdepot Aktien &
Fonds
Der Chart der Aktie von
Facebook sieht zuletzt
konstruktiv aus. Und auch
operativ läuft es bei unserem
Musterdepotwert rund. Im ersten
Quartal 2019 konnten die Umsätze
um 26% zulegen, das Ergebnis je
Aktie war lediglich Aufgrund
einer Strafzahlung über 3 Mrd.
USD durch die Federal Trade
Commission negativ. Lesen Sie im
heutigen Musterdepot,
welche Herausforderungen
Facebook in den nächsten Jahren
zu bewältigen hat und welche
Chancen die Aktie gleichzeitig
bietet. Sie können sich dort
durch einfaches Blättern einen
schnellen Überblick über die
Transaktionen der letzten Wochen
verschaffen.
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Smart
Investor 7/2019:
Titelstory: Value
Investing – Das richtige Netz für
die dicken Fische
Flughafenbetreiber:
Die „Schaufelverkäufer“ der
Airline-Industrie
High-Yields: Heißer Zock
am Bosporus
Deindustrialisierung:
Deutschland auf dem Weg ins
wirtschaftliche Abseits
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Fazit
Auf die eingetrübten
Konjunkturaussichten reagieren die
Börsen derzeit eher gelassen. Offenbar
traut man den Notenbanken zu,
rechtzeitig zu reagieren.
Christoph Karl, Ralph Malisch
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