So bereiten Sie sich auf die straffere Geldpolitik vor • Heibel-Ticker Leserfrage
13.09.21 13:44
Stephan Heibel
Hallo Herr Heibel,
ich habe eine Frage, die vermutlich viele Ihrer Leser beschäftigt.
Hintergrund ist der enttäuschende US-Arbeitsmarktbericht vom
letzten Montagmorgen, der zu vielfältigen Reaktionen geführt hat.
Viel interessanter ist natürlich, was passiert, wenn Jay Powell
das Anleihe-Kaufprogramm reduziert oder beendet und die US-Zinsen
steigen? Wir kann man sich optimal auf diesen Schritt vorbereiten?
Antworten erhoffe ich mir in folgender Form:
- Die Goldpreise dürften steigen, da Gold keine Zinsen
erwirtschaftet?
- Japanische, chinesische und viele andere ausländische Papiere
dürften fallen, da der USD-Wechselkurs steigen wird?
- Rentenpapiere im Depot dürften fallen - oder muss man zwischen
solchen mit kurzer und langer Duration (oder zwischen
Staatsanleihen und Unternehmensanleihen oder zwischen US- und
anderen Papieren) unterscheiden?
- Steigende Zinsen haben negative Auswirkungen auf
Wachstumspapiere - sollte man die jetzt verkaufen?
- Viele Papiere werden fallen - gibt es auch welche, die
profitieren werden?
Über eine Antwort würde ich mich riesig freuen,
Danke und Gruss aus Bochum, Andreas
ANTWORT
Wir müssen unterscheiden zwischen dem Anleihe-Kaufprogramm, dem
Leitzins und der Inflation … und vielem mehr, aber belassen wir es
vorerst bei diesen drei Komponenten.
Wenn das Anleihe-Kaufprogramm irgendwann herunter gefahren wird,
dann werden wir an den Aktienmärkten noch keinen Gegenwind
verspüren. Der Rückenwind der vergangenen Jahre wird nur ein wenig
schwächer. Davon bremst man also noch nicht, lediglich die hohe
Wachstumsgeschwindigkeit kann dann vielleicht nicht mehr ganz
gehalten werden.
Das heißt, strukturell ändert sich erst einmal sehr wenig, solange
der Rückenwind nur etwas reduziert wird. Insgesamt wird der
Aktienmarkt gebremst, vielleicht kommt es sogar zu einer kleinen
Korrektur. Doch das dürfte schnell vorübergehen. Der Leitzins
jedoch bleibt unverändert. Der negative Einlagenzins (Strafzins)
für Guthaben der Geschäftsbanken bei den Notenbanken sowie auch
der Guthaben von Privatanlegern bei ihren Banken dürfte noch lange
Zeit bestehen bleiben.
Der Inflationsdruck jedoch könnte durch die Reduktion der
Anleihekäufe etwas abgemildert werden. Wenn weniger Liquidität im
Umlauf ist, konkurrieren die Waren um weniger Geld, es entsteht
Preisdruck, sofern es sich nicht um eine anderweitig verursachte
Knappheit handelt (bspw. Chips).
Gold hat mit alledem wenig zu tun. Gold wirft zwar keine Zinsen
ab, kostet aber auch keine Strafzinsen. Daher dürfte das Gold in
dieser Phase nach wie als sicherer Hafen gefragt sein.
Wenn Sie die USA als den Nabel der Welt sehen, dürften japanische
und chinesische Papiere fallen. Ich persönlich habe mir Hamburg zu
meinem Nabel der Welt ausgewählt und betrachte daher alles aus der
Euro-Brille. In meinen Augen steht die europäische Wirtschaft
derzeit deutlich besser da als die US-Wirtschaft. Eine straffere
Geldpolitik ist in Europa daher meines Erachtens eher möglich als
in den USA. Doch kulturell bedingt sind wir hier etwas langsamer
als die USA, daher dürften die USA tatsächlich als erstes die
geldpolitischen Zügel straffen. Das dürfte dem US-Dollar jedoch
nur ein bisschen helfen, da nicht nur Währungsknappheit, sondern
auch die Konjunktur für den Wechselkurs verantwortlich ist.
Fallen dürften höchsten die Aktien von Schwellenländern, die sich
hoch in US-Dollar verschuldet haben. Japan und China verfügen
jedoch über eine eigenständige Konjunktur, dürften also nicht mehr
so stark von den Entwicklungen in den USA abhängen, wie das vor
einigen Jahrzehnten noch der Fall war.
Rentenpapiere, also Anleihen, dürften im Kurs fallen und die
Renditen dürften steigen, weil die Anleihenschwemme nicht mehr von
den Notenbanken aufgesogen wird. Das heißt in erster Linie, dass
sich der Marktzins vom Leitzins entfernen dürfte. Der Leitzins
dürfte mMn noch lange niedrig bleiben. Der Marktzins dürfte dann,
je länger die Laufzeit, um so stärker ansteigen. Das gilt
gleichermaßen sowohl für Staatsanleihen als auch
Unternehmensanleihen. Und das gilt für US-Papiere halt ein
bisschen früher als für europäische Papiere.
Ja, steigende Zinsen haben negative Auswirkungen auf
Wachstumswerte, weil deren in der fernen Zukunft erwirtschafteten
Gewinne mit einem höheren Zinssatz abdiskontiert werden. Aber wenn
ich eingangs von weniger Rückenwind gesprochen habe, dann gilt
dies erweitert auch noch für das Zinsniveau: Bei einem Leitzins
von bis zu 3% spricht man noch immer von Rückenwind. Erst darüber
lässt sich eine Bremswirkung verzeichnen. Davon sind wir jedoch
noch weit entfernt.
Wenn also eine Zinsanhebung in Sicht kommt, dann dürften die
Aktienmärkte, insbesondere die Wachstumsunternehmen, kurz und
heftig korrigieren, anschließend jedoch ihren Anstieg fortsetzen.
Wann genau eine solche Reaktion erfolgt, lässt sich schwer
bestimmen. Und wie tief genau die Papiere korrigieren, ist ebenso
schwer. Ich halte es daher für nicht zielführend, wenn man jetzt
alles verkauft, den Rest der noch laufenden Rallye verpasst und
dann später in der Korrektur vermutlich den günstigen Einstieg
verpasst :-(.
Profitieren würden in einem solchen Szenario natürlich die
Versorger, die durch einen hohen Cashflow einen verlässlichen
Rückfluss (Dividende) anbieten.
Wie Sie Ihr Depot umbauen sollten? Nun, die Gretchenfrage lautet:
Schaffen Sie es, solche Marktschwankungen zum eigenen Vorteil zu
timen? Ich versuche dies mit einem kleinen Teil unseres
Portfolios. Ich verkaufe Teile von Positionen und segel vor
erwarteten Korrekturen mit mehr Cash durch die stürmische See.
Doch viel wichtiger als die kleine Timing-Komponente in unserem
Heibel-Ticker Portfolio ist die intelligente Risikostreuung: Wir
haben einige dividendenstarke Versorger im Portfolio, wir haben
eine Unternehmensanleihe mit variablem Zins, wir haben
Wachstumstitel, die meines Erachtens nach einer kleinen Korrektur
schnell wieder auf ein noch höheres Kursniveau laufen dürften,
etc.
Das Timing darf meiner Ansicht nach in diesem Umfeld nur ein
kleines Hobby sein, nicht jedoch der Schwerpunkt Ihrer Strategie.
Interessieren Sie sich für mehr solcher Beiträge?
Nachfolgend sehen Sie die Einleitung zu meiner aktuellen Heibel-Ticker Ausgabe:
Liebe Börsenfreunde,
Vor zwanzig Jahren flogen zwei Flugzeuge in die Twin Towers von
New York, ein weiteres flog ins Pentagon und das vierte konnte auf
seinem Weg mit unbestimmtem Ziel aufgehalten werden. Die Welt, wie
wir sie kannten, hörte auf zu existieren.
Auge um Auge, Zahn um Zahn lautete die Antwort der USA, der sich
Deutschland anschließen musste. 20 Jahre Afghanistan waren die
Folge, zunächst um die Terroristen zur Strecke zu bringen, dann um
die Welt zu verbessern. Dass dies nicht funktioniert, wussten
viele schon vorher. Und so stehen wir heute erneut vor einem
Neuanfang - Rückbesinnung auf die Werte, die wir eigentlich
vertreten und exportieren wollen.
Die westliche Welt geht stark geschwächt aus diesem Konflikt
hervor. Unter anderem China hat stark profitiert und tritt
deutlich selbstbewusster auf. Im Kapitel 04 habe ich eine kurzer
Einschätzung zur Auseinandersetzung zwischen den USA und China
gegeben. Wenn man sich gegenseitig bestätigt, dass dieses oder
jenes nicht zu Konflikten führen dürfe, lesen Diplomaten zwischen
den Zeilen eine Drohung: Wenn dieses oder jenes nicht abgestellt
wird, sind wir für einen Konflikt bereit.
In Kapitel 02 habe ich die Notenbankentscheidung sowie den kurzen,
aber heftigen Ausverkauf letzter Woche in Perspektive gesetzt.
Zudem habe ich am Ende des Kapitels einen Blick auf den
Bitcoin-Markt geworfen: Anders, als in den Medien zu lesen, war
die Einführung des Bitcoins in El Salvador nicht schief gegangen,
sondern es gab ein paar technische Hürden. In den kommenden Wochen
werden wir sehen, ob das Experiment glückt.
Die stark polarisierte Stimmung der Vorwoche hat sich in Folge des
kurzen Ausverkaufs letzter Woche wieder normalisiert. Was dies
bedeutet, lesen Sie in Kapitel 03.
Die wichtigen Updates zu unseren offenen Portfoliowerten lesen Sie
in Kapitel 05. eine tabellarische Übersicht über unser
Heibel-Ticker Portfolio befindet sich in Kapitel 07.
Drei Leserfragen behandle ich in Kapitel 06: Was ist aus den
verschiedenen Papieren, SPACs, Optionsscheinen und Aktien um
Churchill Capital IV bzw. Lucid geworden? Wie investiere ich am
besten langfristig mit Hilfe von ETFs und Fonds in den MSCI World?
Und wie bereiten wir uns am besten auf das Ende der lockeren
Geldpolitik vor?
Die komplette Ausgabe können Sie hier lesen (auch als PDF zum Download verfügbar): https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1903#ch01
Ich wünsche eine anregende Lektüre,
take share, Ihr Börsenschreibel
Stephan Heibel
Chefredakteur und Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefs
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