Normale Börsen- und
überraschende
Medienreaktionen
„Kleine Zankerei“
Als letzte Woche der schon
sicher geglaubte Handelsdeal
zwischen den USA und China
praktisch auf den letzten Metern
der Zielgerade platzte, war die
Aufregung an den Börsen groß.
Die Highflyer der letzten
Monate, insbesondere auch die
US-Techwerte mussten
empfindliche Einbußen hinnehmen.
Angesichts der erreichten
Kurshöhen ist ein(!) reinigendes
Gewitter allerdings noch kein
Beinbruch. Die Reaktion der
Märkte auf die neuen
Unsicherheiten ist zudem ebenso
normal wie nachvollziehbar.
US-Präsident Trump bemühte sich
trotz neuer drakonischer Zölle
zudem die Tür weiter
offenzuhalten, indem er die
Eskalation als „Kleine Zankerei“
bewertete. Wirklich überraschend
war in diesem Fall die Reaktion
von Trumps politischen Gegnern
und die Reaktion der
Massenmedien. Obwohl diese
ansonsten kaum eine Gelegenheit
auslassen, den US-Präsidenten in
ein schlechtes Licht zu rücken,
gaben sie sich diesmal
erstaunlich zahm. Überwiegend
blieben die Trump-feindlichen
Tiraden aus, und das kann
eigentlich nur eines bedeuten:
Trump hat in der Sache recht und
zwar so sehr, dass man sich mit
Gegenreden nur blamieren kann.
Rational, aber gefährlich
Auch Warren Buffett ist nicht
gerade als großer Anhänger von
Donald Trump bekannt. Vielmehr
unterstützte er im Wahlkampf
2016 dessen Konkurrentin Hillary
Clinton. Sein Kommentar zur
Verschärfung des
amerikanisch-chinesischen
Handelsstreits lässt daher
aufhorchen: Das Verhalten von
Trump sei rational, allerdings
auch ein gefährliches Spiel.
Dies bedeute aber nicht, dass
man dieses Spiel nicht spielen
solle. In Verhandlungen sei es
manchmal nötig, halb verrückt zu
agieren. Wie lässt sich diese
Einschätzung erklären? Klar ist,
dass die Verhandlungen mit China
bereits weit fortgeschritten
waren. Angeblich wurden sogar
schon Vorbereitungen für eine
Vertragsunterzeichnung
getroffen. In letzter Minute
hätten die chinesischen
Verhandlungsführer jedoch
angefangen, bereits gemachte
Zusagen zu revidieren. Dies
konnte die amerikanische Seite
eigentlich nicht ohne Reaktion
lassen. Die strittigen Punkte
seien Teilnehmern zufolge vor
allem der Schutz des geistigen
Eigentums und die
Währungsmanipulation durch China
gewesen.
Was nun folgt ist ein Pokerspiel
mit höchsten Einsätzen: Seit
letztem Freitag verhängten die
USA Zölle auf chinesische
Produkte im Wert von 200 Mrd.
USD, seit dieser Woche
reagierten die Chinesen mit
Zöllen auf US-Produkte im Wert
von 60 Mrd. USD. Alleine diese
Summen zeigen das
Kräfteverhältnis: Während die
USA 2018 chinesische Waren im
Wert von 540 Mrd. USD
importierten, wurden in China
lediglich US-Waren für 120 Mrd.
USD eingeführt. Mehr zu
verlieren haben also definitiv
die Chinesen. Zwar prahlt der
US-Präsident damit, dass es sich
bereits auf die Einnahme der
vielen Milliarden an Zöllen
freue. Dies darf jedoch als
Rhetorik abgetan werden. Denn de
facto wird das
Wirtschaftswachstum auch in den
USA Schaden nehmen, die Frage
ist lediglich wie viel. Laut der
Hedgfonds-Legende Leon Cooperman
könnten die nun in Kraft
gesetzten Zölle bis zu einem
halben Prozent an
Wirtschaftswachstum kosten und
die Erträge des S&P-500 um 5
USD reduzieren – Grund genug für
eine kurze Korrektur, aber alles
andere als ein Drama. Das
allerschönste an Zöllen als
Verhandlungstaktik sei übrigens
die Tatsache, dass man diese
bereits morgen wieder aufheben
könne.
Krypto-Roulette
Eine der wirklich überzeugenden
Assetklassen der vergangenen
Wochen waren die Kryptoassets
und unter ihnen ihr bekanntester
Vertreter, der Bitcoin, der
zuletzt sogar wieder die Marke
von 8.000 USD zurückerobern
konnte. Mit dem Adjektiv
„überzeugend“ beziehen wir uns
dabei einzig auf die
Preisentwicklung. Vor der alten
Weisheit der Markttechniker „Ein
Trend ist ein Trend ist ein
Trend“ verblassen regelmäßig
alle fundamentalen
Erklärungsversuche oder Einwände
– bis eben dieser Trend endet.
Die Kryptos sind in gewisser
Hinsicht Janus-köpfig: Während
die einen in ihnen, ähnlich den
Edelmetallen, vor allem einen
Fluchtpunkt aus den
Fiat-Geld-Systemen sehen, sind
sie für die Technikaffinen,
schlicht die Zukunft des Geldes,
des Vertragswesens, etc. Eine
dritte Gruppe sieht schließlich
in den Kryptos vor allem heiße
Luft. Wer letztlich Recht
behalten wird, vermögen wir
heute nicht zu entscheiden. Das
müssen wir allerdings auch
nicht, denn, wie gesagt, „ein
Trend ist ein Trend ist ein
Trend“. Der Umstand aber, dass
der Bitcoin zu einem neuen
Höhenflug startete, während die
Edelmetalle weiter am Boden
liegen, spricht nicht dafür,
dass Angst bzw. ein sogenannter
„Risk off“-Trade für den Run
verantwortlich ist. Im Chart ist
übrigens deutlich der 2. April
als jener Tag zu erkennen, an
dem die Initialzündung der
laufenden Hausse stattfand (vgl.
Abb., grüne Markierung).
Seinerzeit wurden bekanntlich
innerhalb weniger Minuten für
mehr als 100 Mio. USD Bitcoins
gekauft und offenbar erfolgte
die Konzentration der Mittel um
genau diesen Effekt auf den Kurs
zu erreichen. Schon damals war
allerdings klar, dass die
Ursache dieses Kurssprungs im
Zeitablauf in Vergessenheit
geraten wird, während der
Kursausbruch selbst im Chart
sozusagen in Stein gemeißelt
ist. Im Hinterkopf sollte man es
allerdings schon behalten, dass
es wenige Märkte gibt, an denen
die Nachfrage künstlicher ist
und in denen ohne ernsthafte
Aufsicht der (Kurs-)Manipulation
Tür und Tor so weit geöffnet
sind. In unserem Musterdepot
haben wir übrigens einen Weg
aufgezeigt, wie man an
Kursbewegungen des Bitcoin –
vorzugsweise mit kleinem Geld(!)
– partizipieren kann, ohne dabei
den Weg über einen der
Kryptohandelsplätze gehen zu
müssen.
Zu den Märkten
Im DAX nähern wir uns nach den
Abverkäufen der letzten Tage
einem entscheidenden Punkt:
Schon mehrfach wurde an dieser
Stelle auf die wichtige
Unterstützungszone im Bereich
von 11.800 bis 12.000 Punkten
hingewiesen (vgl. Abb., gelber
Bereich). In der letzten
Abwärtsbewegung, wurde dieser
Bereich tief eingeschnitten, dem
Markt gelang es jedoch, kurz vor
Erreichen der unteren Begrenzung
die Abwärtsbewegung vorläufig zu
stoppen. Dabei wurde auch die
untere Begrenzung des
Aufwärtskanals (blau) zunächst
erfolgreich getestet. Das
Zusammenspiel beider technischer
Formationen erzeugte eine
sogenannte Kreuzunterstützung,
wobei das Kursverhalten an
solchen Weggabelungen stets
besondere Beachtung verdient.
Obwohl die Aufwärtsreaktion
bislang positiv zu werten war,
fehlte es ihr jedoch an Kraft.
Einem erneuten Angriff auf den
Trend bzw. die
Unterstützungszone wird der DAX
daher möglicherweise nicht
standhalten können. Positiver
wäre unsere Einschätzung erst
wieder, falls es dem DAX
gelingt, die Marke von 12.000
Punkten überzeugend zu
überwinden.
ePetition gegen
Substanzbesteuerung
An dieser Stelle geben wir
gerne einen Leserhinweis auf
eine ePetition des deutschen
Bundestages wieder: Es ist ein
bekanntes Ärgernis für Anleger
und Sparer, dass eine
Besteuerung von Kapitalerträgen
auch dann erfolgt, wenn real gar
keine Erträge entstanden sind.
Das ist immer dann der Fall,
wenn der nominale „Ertrag“
hinter dem realen Wertverzehr
der Anlage durch Geldentwertung
zurückbleibt. Im Ergebnis wird
hier also ein bloßer
Scheinertrag besteuert, obwohl
sich der reale Wert der Anlage
verzehrt hat. Vor dem
Hintergrund, dass die Inflation
selbst als eine Art versteckte
Besteuerung zu bewerten ist und
maßgeblich durch den Staat
selbst ausgelöst wird, ist die
Besteuerung von Scheingewinnen
in diesem Bereich sogar
besonders perfide. Durch
anhaltend niedrige Zinssätze bei
einer wieder angezogenen
Geldentwertung ist das Problem
für Sparer zudem derzeit
besonders akut. Die Petition
fordert daher eine Freistellung
der Kapitalerträge in Höhe der
jeweiligen Inflationsrate, so
dass im Ergebnis lediglich reale
Wertzuwächse besteuert werden.
Es ist also eine gute Sache,
hier einmal ein Zeichen zu
setzen, auch wenn wir uns des
Umstandes bewusst sind, dass
dieses wichtige Thema sich kaum
für große öffentliche Debatten
eignet. Hier
geht es zur ePetition.
Musterdepot Aktien &
Fonds
Im Bereich „Highlights/Musterdepot“
berichten wir heute über eine
sehr erfreuliche Entwicklung.
Sie können sich dort durch
einfaches Blättern einen
schnellen Überblick über die
Transaktionen der letzten Wochen
verschaffen.
Veranstaltungshinweis
Nun geht der Reigen der
Börsentage 2019 unwiderruflich
zu Ende. Lediglich morgen, am
16. Mai gibt es noch einmal die
Gelegenheit, in
Zürich an einem Börsentag
teilzunehmen. Der Eintritt ist
kostenlos.
Smart Investor 5/2019:
Titelstory: Familienunternehmen:
Sind sie wirklich besser?
Wirtschaftskrieg:Die
Feinde im eigenen Haus
Mauritius:Mehr
als nur ein Ferienparadies
CANSLIM:Investieren
mit Megatrends
Fazit
Für die Märkte war das erneute
Aufflackern des Handelskonflikts
zwischen den USA und China ein
willkommener Anlass für eine ohnehin
fällige Korrektur. In der Sache sind die
USA auf dem richtigen Weg, auch wenn
dieser voller Gefahren ist.
Christoph Karl, Ralph Malisch
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