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Wie steht es tatsächlich um die
Verhandlungspositionen im
Handelskrieg?
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Twitter-Crash
Dieser Schock saß: Hatte sich
im Handelsstreit zwischen den
USA und China zuletzt
Entspannungsrhetorik breit
gemacht, goss US-Präsident Trump
am letzten Donnerstag um kurz
nach 19 Uhr europäischer Zeit
mit einer Serie von Tweets
erneut Öl ins Feuer. Er kündigte
Zölle von 10% auf weitere Waren
im Wert von 300 Mrd. USD ab dem
1. September an und schickte
damit die Börsen auf Talfahrt.
Auch am darauffolgenden Freitag
konnten sich die Kurse kaum
beruhigen, zu Beginn dieser
Woche gab es dann sogar einen
kleinen „schwarzen Montag“. Der
Grund dafür war diesmal die
Antwort der chinesischen Seite:
Statt wie bisher massiv am
Devisenmarkt einzugreifen, ließ
die People’s Bank of China
(PBoC) den Kurs des Renminbi
deutlich fallen. Erstmals seit
Jahren mussten mehr als 7
chinesische Yuan für einen
US-Dollar bezahlt werden. Mit
der geschwächten Währung hofft
die chinesische Führung
offensichtlich den angekündigten
Zöllen entgegenwirken zu können.
Für die Börsianer war klar: Hier
stellt sich jemand auf einen
länger anhaltenden Handelskrieg
ein. Die bislang eher
unbeachtete Notierung des Yuan
rückte damit diese Woche in den
Fokus des Anlegerinteresses und
beherrschte die
Berichterstattung der
US-Börsensender. Als der Kurs
der China-Währung gestern keine
weiteren Anzeichen einer
Abwertung machte, sendete dies
konsequenterweise
Beruhigungssignale aus. Statt
auf solche Kurzfristindikatoren
zu blicken, sollten sich Anleger
allerdings fragen, was
tatsächlich hinter dieser
neuerlichen Eskalation des
Konfliktes steckt und ob von
dieser Front in den nächsten
Monaten eher positive oder
negative Signale ausgehen
dürften.
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Zahnloser Tiger
Was war passiert? Der
US-Handelsbeauftragte Lighthizer
und US-Finanzminister Mnuchin
waren letzte Woche zu
neuerlichen Verhandlungen in
China. Die Vorabbedingungen der
Gegenseite hatten es nach
Informationen des
US-Hedgefondsmanagers Kyle Bass
jedoch in sich: Die USA sollten
nach Vorstellungen der Chinesen
zunächst einmal sämtliche Zölle
fallen lassen, Huawai wieder
Zugang zum US-Markt verschaffen
und die inhaftierte
Huawai-Finanzchefin entlassen.
Erst dann wäre man überhaupt zu
weiteren Gesprächen bereit. Mit
dieser Nachricht im Gepäck wären
die beiden US-Verhandlungsführer
am Donnerstag zu Donald Trump
gekommen, der daraufhin tat, was
er in solchen Situationen immer
tut: Die Gegenseite unter Druck
setzen. In den Tagen darauf
legte er noch einmal nach und
beschuldigte die Chinesen der
Währungsmanipulation. Ganz
offensichtlich wird jedoch auf
beiden Seiten mit Halbwahrheiten
gearbeitet. Donald Trump sollte
sich zunächst einmal darüber
informieren, was
Währungsmanipulation tatsächlich
ist. Denn das, was am Montag mit
dem Yuan geschah ist
offensichtlich das komplette
Gegenteil. Statt wie zuvor
stützend an den Märkten
einzugreifen, ließ die
chinesische Zentralbank den Kurs
an der langen Leine. Und der
wertete deutlich ab (siehe Chart
unten). Kyle Bass zufolge könnte
der Yuan im Übrigen 30 bis 40%
abwerten, würde die PBoC die
Märkte vollständig freigeben.
Was die chinesische
Volkswirtschaft unter
unvorstellbaren Druck setzten
würde. Denn trotz der gewaltigen
Devisenreserven benötigt die
zweitgrößte Wirtschaftsnation
der Welt enorme Summen
US-Dollar, um seine Importe zu
bezahlen. China benötigt
Energie, Rohstoffe und
Nahrungsmittel, das meiste davon
in US-Dollar fakturiert.
Weswegen die Drohgebärden aus
Peking eher wie von einem
zahnloser Tiger ausgesprochen
wirken.
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Der längere Hebel
Zwar setzt der angekündigte
Ankaufstopp von
US-Agrarprodukten auch Trump
unter Druck, da gerade die
Farmer aus dem Midwest viele
seiner Wähler darstellen
dürften. Mittelfristig sitzen
die USA jedoch am weitaus
größeren Hebel. Chinas Präsident
Xi muss händeringend versuchen,
seine Volkwirtschaft am Laufen
zu halten – und zwar nicht
irgendwie, sondern mit einem
Plus von 6% und mehr pro Jahr.
Trump auf der anderen Seite
riskiert lediglich ein um rund
0,5% reduziertes
Wirtschaftswachstum – und kann
das ganze Drama binnen Sekunden
mit ein paar weiteren Tweets
stoppen. Sollte der Druck auf
die US-Volkswirtschaft zu groß
werden, wird er – alleine schon
um seine Wiederwahl
sicherzustellen – diesen Joker
ziehen. Xi und seine Adjutanten
scheinen dagegen Trumps alten
Bestseller „The Art of the Deal“
kaum gelesen zu haben. Eine
Lektüre, die sich gelohnt hätte.
Denn bereits in seiner Zeit als
Immobilienentwickler wendete
„The Donald“ die gleiche Taktik
an: Den Gegner in einer
misslichen Lage aggressiv unter
Druck zu setzen und später unter
minimalen Zugeständnissen eine
Einigung erzielen. Methoden, die
auf dem feinen diplomatischen
Parkett bisher kaum üblich
waren, erst recht nicht in einer
Konsensgesellschaft wie der
chinesischen. Einer der Gründe
der Eskalation scheint daher
auch ein kultureller Konflikt zu
sein. Trump auf der einen Seite,
der offensichtlich keinerlei
Gespür für die Empfindlichkeiten
seiner Gegenseite hat, sowie die
Chinesen, bei denen das „Gesicht
wahren“ häufig wichtiger ist als
das faktische Ergebnis. Was
lässt sich nun aus
spieltheoretischer Sicht aus
dieser Gemengelage machen? Trump
spielt ein riskantes Spiel, hat
allerdings (noch) alle Trümpfe
in der Hand. Die chinesische
Seite tritt nach außen
offensiver auf, als sie es sich
faktisch leisten kann. Beide
Seiten stehen unter enormem
Druck, den Schaden für ihre
eigenen Volkswirtschaften so
gering wie möglich zu halten.
Trump bleibt dafür maximal noch
ein gutes Jahr Zeit (Stichwort:
US-Wahlkampf!), Xi muss quasi
laufend gute Wachstumszahlen
liefern. Nimmt man die
kulturellen Unterschiede mit ins
Kalkül, dürfte die chinesische
Seite nicht so schnell klein
beigeben, einem vorteilhaften
Deal jedoch auch nicht im Weg
stehen. Auf eines müssen sich
Börsianer auf dem Weg zu einer
Einigung aber auf jeden Fall
einstellen: Weitere
Twitter-Schocks aus blauem
Himmel heraus – in die eine oder
andere Richtung. Wie auch immer
es weitergeht, es dürfte volatil
bleiben!
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Zu den Märkten
Im Zuge der Verschärfung des
Handelsstreits kam es, wie
bereits erwähnt, zu einer
bemerkenswerten Kursbewegung
beim Chinesischen Yuan (CNY) zum
US-Dollar (USD). Dabei ist es
nicht unbedingt der Anstieg um
etwa 3%, der so erwähnenswert
wäre. Der Yuan hatte in den
letzten Jahres des Öfteren
solche Sprünge an einem Tag
gemacht hatte. Nein, es ist
vielmehr der massive bei rund
6,98 CNY pro USD auszumachende
charttechnische Widerstand (rote
waagerechte Linie), der zuletzt
überwunden wurde. Wenn wir den
Yuan-Kursverlauf als Psychogramm
der chinesischen Währung und
damit auch Volkswirtschaft
auffassen, dann ist deren
„Fieberkurve“ nun unterwegs auf
ein neues Hitzeniveau. Und es
sieht nicht danach aus, dass es
hier demnächst zu einer
Abkühlung kommen würde. Das
neuerliche Aufkochen des
Handelsstreits führte auch zu
einem deutlichen Einknicken der
chinesischen Aktienkurse, die
gemessen am A-Share-Index seit
dem Zwischenhoch Ende Juli in
der Spitze fast 9% nachgaben.
Übrigens entspricht das ziemlich
exakt dem Verlust, den auch der
S&P500 in der Spitze der
während der letzten Tage
erzielte.
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US-Dollar legt zuletzt markant zur
China-Währung Yuan zu und
überwindet den so wichtigen
Widerstand bei 6,96 CNY für 1 USD.
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Ebenso viel verlor in diesem
Zeitraum auch der DAX,
wenngleich dieser schon davor
ziemliche relative Schwäche
zeigt. Das Chartbild zeigt hier
den dramatischen Abverkauf bis
knapp unter das Tief von Ende
Juni. Seither korrigieren die
Börsen zwar wieder leicht nach
oben. Aus unserer Sicht ist aber
mit den jüngsten Äußerungen von
Donald Trump markttechnisch
einiges Porzellan zerschlagen
worden, weshalb wir weiterhin
recht vorsichtig agieren. Vor
diesem Hintergrund ist auch das
Aufstocken unserer
DAX-Short-Position (via einem
Knock-out-Zertifikat) im
Musterdepot zu verstehen.
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DAX mit schwachem Chartbild.
Kurzfristig könnte die blaue
Unterstützung halten.
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Musterdepot Aktien &
Fonds
Vorsicht ist die Mutter der
Porzellankiste – dies gilt auch
für unser Musterdepot.
Sie können sich dort durch
einfaches Blättern einen
schnellen Überblick über die
Transaktionen der letzten Wochen
verschaffen.
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Smart
Investor 8/2019:
Titelstory: Handelssysteme
– Robust und emotionslos
Infrastruktur: Die
Wirtschaft auf den „Weg“ bringen
Hayek-Tage 2019: Über
Wirtschaft, Ethik und Fragen der
Politik
Big Tech-Unternehmen:
Werden die „Big Four“ an die Kette
gelegt?
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Fazit
Trump und seine Zölle dürften uns noch
einige Zeit begleiten und die Märkte
volatil bleiben. Erst wenn der
wirtschaftliche Druck zu groß wird,
dürfte eine der beiden Seiten einlenken.
Christoph Karl, Ralf Flierl
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