Während im
Handelskonflikt weiter
gemauert wird, werden vor
der EU-Wahl die Joker
ausgespielt
Liebesgrüße aus Ibiza
Dies ist der letzte SIW vor der
EU-Wahl. Noch lässt sich also
trefflich spekulieren, nächste
Woche liegen dann die Fakten auf
dem Tisch. Besonders spannend
sind regelmäßig die letzten Tage
vor dem Urnengang. In dieser
Zeit werden gerne jene Joker
ausgespielt, die man sich für
eine maximale Wirkung bis kurz
vor Schluss aufgespart hat. Den
Auftakt machte der inzwischen
zurückgetretene FPÖ-Vorsitzende
„HC“ Strache mit seiner
unfreiwilligen Hauptrolle in der
Produktion „Liebesgrüße aus
Ibiza“ (Arbeitstitel: „Bist du
deppert, die ist scharf“). Schon
der vorab veröffentlichte
Trailer zu dem insgesamt
sechsstündigen Epos setzte neue
Maßstäbe im Genre des
Honeytrap-Reality-Thrillers und
wurde über Nacht zum
europaweiten Sensationserfolg.
Die Angelegenheit war so
unterhaltsam – Sex & Crime
gehen immer –, dass darüber fast
die Themen und Inhalte des
EU-Wahlkampfs aus dem Fokus
gerieten.
Wahl-O-„Matt“
Wer sich damit ohnehin nicht
näher beschäftigen wollte, der
brauchte sich bis vor wenigen
Tagen lediglich vom sogenannten
Wahl-O-Mat befragen zu lassen.
Danach gab dieser Politikberater
des kleinen Mannes bekannt, zu
welchem Prozentsatz die
einzelnen Parteien den eigenen
Vorstellungen entsprachen. Auf
diese Weise dürfte ganz nebenbei
auch eine ziemlich interessante
Datenbank über die Nutzer
entstehen. Es waren allerdings
nicht Datenschutzgründe, die
jetzt erst einmal zur Schließung
des Angebots führten, sondern
die Bedenken einer der ganz
kleinen Parteien, die durch das
Format die Chancengleichheit
verletzt sah. Das Kölner
Verwaltungsgericht folgte der
Argumentation. Es ist offen, ob
der Wahl-O-Mat vor der
Abstimmung noch einmal ans Netz
geht.
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In nur wenigen Sekunden das
optimale Produkt für ihre
individuelle Strategie
herausfiltern: Diese etwas andere
Art des „Speeddatings“ ermöglicht
das neue Tool „Match My Trade“ der
SOCIETE GENERALE.Bisher
einzigartig auf dem Derivatemarkt
für Privatanleger: Anstatt
tausende Hebelprodukte auf den
gewünschten Basiswert, erhalten
Nutzer des neuen Tools eine
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Markterwartungen passen. Zugleich
wird die erwartete Wertentwicklung
sowie alle verfügbaren Kennzahlen
und Parametern zur Risikobewertung
geliefert.
1. Basiswert auswählen
2. Erwartete Richtung (steigend
oder fallend) vorgeben
3. Kursziel und Stop-Loss der
Trading Strategie definieren
4. Trading-Zeitraum bestimmen
5. Die Auswahl kann beginnen
Wer sich weniger für die
Inhalte als für mögliche
Ergebnisse interessiert, der
sollte sich bei den im Internet
verfügbaren Wahlbörsen umsehen.
Im Gegensatz zu bloßen Umfragen
bestimmt dort real eingesetztes
Geld der Teilnehmer die
Tendenzen. Die Wahlbörse ist
also ein klassischer Fall von
„Skin in the Game“, weil dort
die Konsequenzen am eigenen Leib
spürbar sind. Auch kann man dort
direkt und praktisch in Echtzeit
verfolgen, welche Auswirkungen
ein Skandal auf das
Wahlverhalten hat. Verpufft die
Wirkung nach dem ersten Schock,
oder wird die Tragweite den
Teilnehmern erst nach und nach
bewusst? Zur Beurteilung solcher
Effekte erscheinen Kommentare
eher nicht geeignet, weil sie –
ganz unabhängig von einer
möglichen Voreingenommenheit –
oft eine logische oder auch nur
logisch erscheinende Geschichte
über Ursachen und Wirkungen
erzählen. Die Verbindung zum
tatsächlichen Wahlverhalten
dürfte ähnlich lose sein, wie
die zwischen Börsenkommentaren
und Kursentwicklung.
… und täglich grüßt der
Brexit
Derweil kündigte die britische
Premierministerin Theresa May
zuletzt einen „neuen
Brexit-Deal“ an, den sie morgen
im Unterhaus vorstellen will.
Die Endlosschleife auf dem Weg
in den britischen Austritt
scheint an den Märkten immer
weniger zu interessieren. Und
die Angelegenheit hat inzwischen
eine geradezu bizarre
Komponente: Da die Inseleuropäer
noch immer Mitglied der EU sind,
sind sie nun doch zur
Parlamentswahl aufgerufen. Eine
Entwicklung, die besonders den
Funktionären des EU-Festlands
ein Dorn im Auge ist, werden
diese doch künftig mit einer
mutmaßlich sogar erstarkten
Brexit-Fraktion konfrontiert
sein, die sich kaum in
britischer Zurückhaltung üben
wird. Auch nach der Wahl ist
also für Unterhaltung gesorgt.
Digitale Daumenschrauben
anziehen
Seit dieser Woche wird der
Handelskrieg zwischen den USA
und China nicht nur mit Hilfe
von Zöllen sondern auch mit der
„Technologiewaffe“ ausgefochten.
So setzte die
Trump-Administration kurzerhand
die vom chinesischen Militär
kontrollierte Huawei auf eine
Blacklist, die US-Konzernen eine
Zusammenarbeit verbietet. Erste
praktische Konsequenz: Google
entzieht dem Huawei-Konzern die
Nutzungsrechte an seiner
Android-Software, womit es
dessen Smartphones auf dem
Weltmarkt zukünftig schwer haben
dürften. Zwar kündigten die
Chinesen trotzig an, in Zukunft
eben selbst eine Software zu
entwickeln. Ohne Zugang zu Apps
und deren Updates dürfte es eine
solche jedoch schwer haben. Die
Einsätze im laufenden globalen
Pokerspiel werden damit höher,
die Daumenschrauben weiter
angezogen. Nach und nach
versucht die amerikanische
Seite, die Chinesen
weichzukochen. Laut Mohammed
El-Erian, dem wirtschaftlicher
Chefberater der Allianz und
früheren Chef der
US-Vermögensverwaltung Pimco,
könnte Trump mit dieser
Strategie jedoch Erfolg haben –
analog zu Ronald Reagan, der in
den 80er Jahren mit seiner
Aufrüstungspolitik die
Sowjetunion in die Knie
gezwungen hatte.
„Ronald Reagan-Situation“
Zwar würden beide Seiten durch
den Handelskrieg in absoluten
Zahlen verlieren. Relativ
gesehen würden die USA aber
gewinnen. Den Börsen sei klar,
dass die US-Wirtschaft besser
positioniert sei, um den
Handelskrieg zu überstehen. So
wie sich die Sowjets damals
schlicht nicht leisten konnten,
in den Rüstungswettlauf
einzusteigen, kann sich die
KP-Führung Chinas heute keine
wirtschaftliche Schwäche ihrer
Volkswirtschaft erlauben. Ein
relativ kurzfristiger „Deal“ ist
für El-Erian daher immer noch
das wahrscheinlichste Szenario,
einem länger anhaltenden
„Reagan-Szenario“ gibt er
dennoch eine Chance von 15%. Was
bedeutet dies für Anleger? Die
Millionenfrage dürfte sein,
wieviel von welchem Szenario
bereits in den Kursen steckt.
Das Grundproblem ist jedoch,
dass sich die Nachrichtenlage
stündlich ändern kann. Mal
werden versöhnliche Töne
ausgesendet, mal auf Eskalation
gesetzt. Zollsätze können über
Nacht erhöht, aber auch restlos
gestrichen werden. Märkte können
sich jedoch relativ schnell an
neue Situationen gewöhnen, so
auch an diese neue Unsicherheit.
Kleines Beispiel: Als
US-Finanzminister Mnuchin heute
ankündigte, dass es aktuell
keine Planungen für eine
Wiederaufnahme der Gespräche mit
China gäbe, führte dies an den
Börse zu keinerlei Reaktion.
Warum? Weil dieses Geplänkel
offenbar die neue Realität ist.
Zu den Märkten
Weiter lustlos präsentiert sich
dieser Tage der DAX. Nach oben
konnte er sich nicht wieder
freischwimmen, aber auch für
einen Ausbruch nach unten
reichte es bislang nicht. Das
könnte sich allerdings ändern,
wenn der Aufwärtstrend der
letzten Wochen nach unten
durchbrochen und/oder die
wichtige Unterstützung von
11.800 bis 12.000 Punkten erneut
ins Visier genommen wird.
Unser heutiger Chart zeigt
jedoch zwei andere Indizes. Der
amerikanische S&P500 (blau)
und der chinesische Shenzhen
A-Share-Index stehen dabei
stellvertretend für die beiden
Konfliktparteien im aktuellen
Handelsstreit. Was man aus den
Relativbewegungen herauslesen
kann, wer die besseren Karten
hat und wo Anleger im Falle
einer Einigung stärker
profitieren dürften, das lesen
Sie in unserer Rubrik
„Charttechnik“ im neuen Smart
Investor 6/2019 (S. 44), der zum
Wochenende erscheint.
Smart Investor 6/2019
In der Titelgeschichte dieser
Ausgabe widmen wir uns übrigens
dem Eigentum. Wir zeigen, dass
eine eigentumsbasierte
Wirtschaft auch denen
zugutekommt, die selbst nicht
über nennenswertes Eigentum
verfügen und gehen der Frage
nach, warum ausgerechnet jetzt
so intensiv über das Thema
Enteignungen diskutiert wird.
Gut gemanagtes Eigentum lässt
sich oft auch bei den
börsennotierten
Beteiligungsgesellschaften
finden. Wo es besonders gut
läuft und wer zu den großen
Verlierern des abgelaufenen
Jahres gehört, lesen Sie auch
diesen Juni in unserem großen
Bericht über
Beteiligungsgesellschaften
inklusive großem Tabellenteil.
Das und noch vieles, vieles mehr
im neuen Smart Investor 6/2019.
Musterdepot Aktien &
Fonds
Im Bereich „Highlights/Musterdepot“
erklären wir Ihnen heute, warum
Fiat Chrysler-Aktionäre diese
Woche möglicherweise zu Unrecht
einen Schock bekommen haben und
berichten über eine interessante
Entwicklung bei einem ehemaligen
Musterdepotwert. Sie können sich
dort durch einfaches Blättern
einen schnellen Überblick über
die Transaktionen der letzten
Wochen verschaffen.
Fazit
Auf der Zielgeraden der EU-Wahl könnte
es noch weitere Überraschungen geben, im
Handelskonflikt zwischen China und den
USA sind die Positionen dagegen erst
einmal abgesteckt.
Christoph Karl, Ralph Malisch
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