Schon über die letzten Monate
flackerten immer wieder Gerüchte
über eine mögliche Fusion
zwischen Deutscher Bank und
Commerzbank auf. Diese waren
offenbar gestreut, denn am
vergangenen Sonntag platzte die
Bombe und die Deutsche Bank
kündigte in einer Adhoc-Meldung
an, „strategische Optionen“ zu
prüfen und bestätigte
gleichzeitig Gespräche mit der
Commerzbank. Begeisterung klingt
anders. Natürlich lag die
Vermutung nahe, dass hier die
Politik mit ihrem Gerede von
„nationalen Champions“ die
Finger im Spiel haben könnte,
was jedoch prompt dementiert
wurde. So versicherte Jörg
Kukies, Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium, dass
man nie irgendwelche Fusionen
befürwortet habe, sondern
lediglich stets einen „starken
Bankensektor“ wollte. Es seien
„private Banken“, so
Bundesfinanzminister Olaf
Scholz, freilich mit einem
ordentlichen Staatsanteil von
15% auf Seiten der Commerzbank,
darf man ergänzen. Kaum
vorstellbar, dass sich die
Commerzbank ohne Rückendeckung
ihres Großaktionärs
Bundesrepublik Deutschland auf
solche Gespräche einlässt. Ganz
so neutral wie geradezu
verdächtig einhellig behauptet,
wird die Politik in der Sache
also wohl nicht gewesen sein.
Warum man sich dort nun dennoch
so ostentativ auf den neutralen
Zuschauerplatz bewegt, dürfte
auch klar sein: Die einzige
„industrielle Logik“ hinter der
Fusion der beiden Geldhäuser
liegt in der Kostenreduktion
durch einen massiven
Stellenabbau – zumindest
theoretisch. Wenn es aber um den
Abbau von Arbeitsplätzen geht,
und seien diese auch noch so
obsolet geworden, wollen
Politiker naturgemäß nicht in
der ersten Reihe stehen.
Schließlich ist deren
Paraderolle doch die des
wackeren Kämpfers gegen den
besonders auf Parteitagen stets
aufs Neue wiederbelebten
„Raubtierkapitalismus“.
Prinzip Hoffnung
Ohnehin wird dieser
Arbeitsplatzabbau, gesprochen
wird von bis zu 50.000 Stellen
in der fusionierten Großbank,
kaum so vollzogen werden können,
wie er jetzt flugs hochgerechnet
wurde. Diejenigen Mitarbeiter,
die schon jetzt weit weniger
bringen als sie kosten, wird man
auch im Rahmen einer Fusion
nicht ohne saftige Abfindung
loswerden. Wäre das Geld dafür
vorhanden, massenhaft teure
Altverträge abzulösen, könnte
das jede Bank auch schon jetzt
in Eigenregie erledigen. Zudem
spricht die Erfahrung aus
früheren Großfusionen einfach
gegen nennenswerte
Synergieeffekte. Erinnert sei
nur an die Übernahme der
Dresdner Bank durch die
Commerzbank, die bis heute nicht
ganz verdaut ist, und die
Commerzbank erst so richtig in
Schwierigkeiten brachte. Denn
der Teufel steckt bekanntlich im
Detail, wenn inkompatible
Unternehmenskulturen und
EDV-Welten zusammengeführt
werden sollen. Da wird in der
Regel nicht die beste Lösung für
die Zukunft gefunden, sondern
jener berüchtigte und
kostenintensive faule
Kompromiss, bei dem jede Seite
versucht, gesichtswahrend so
viel an Unternehmenskultur,
Hausmacht und auch
Arbeitsplätzen wie möglich in
die künftige gemeinsame Welt
hinüberzuretten.
Hauptprobleme ungelöst
An den eigentlichen Problemen
deutscher Großbanken ändert eine
mögliche Fusion genau gar
nichts. Und dass beide Häuser
schon bislang keine
Erfolgsgeschichten waren, lässt
sich mühelos an deren
Aktienkursen ablesen, die kennen
seit Jahren nur eine Richtung –
nach unten. Denn im
Stammgeschäft wird angesichts
der anhaltenden
EZB-Nullzinspolitik auch
weiterhin risikoadjustiert kein
Geld verdient. Das klassische
Bankgeschäft bleibt innerhalb
des so gesetzten Rahmens auch
nach einer Fusion tot. Zudem
werden die Bankdienstleistungen
im stark fragmentierten
deutschen Bankenmarkt
margenschwach bleiben. Denn auch
den größten Geschäftsbanken
stehen hier mit Sparkassen,
Volks- und Raiffeisenbanken
weiter Bankengruppen gegenüber,
deren oberstes Unternehmensziel
nicht alleine der Profit ist. In
anderen banknahen und lukrativen
Geschäftsfeldern – Stichwort:
Fintech – haben sich dagegen
längst agile neue Unternehmen
ihre Positionen erkämpft. Die
trägen Bankensaurier brachten
nicht genügend Innovationsfreude
und unternehmerische Denke mit,
um dort zu Impulsgebern zu
werden. Es reichte allenfalls
für ein Schattendasein als
„Adabei“ (bayrisch für einen,
der eben nur „auch dabei“ ist).
Wenn es um Innovation geht, sind
schiere Größe und eine
Unternehmenskultur des bloßen
Verwaltens also sicher keine
Vorteile. Das gilt besonders,
wenn diese Größe erst künstlich
durch eine Fusion hergestellt
werden soll, was im Wesentlichen
bedeutet, dass beide Geldhäuser
erst einmal mit sich selbst
beschäftigt sein werden –
vielleicht auf Jahre hinaus.
Weder die Konkurrenz noch der
technische Fortschritt werden
aber so lange innehalten, bis
das neue gemeinsame Haus in
Ordnung gebracht wurde. Und ganz
offenbar hat auch die Politik,
die Fäden ziehend hinter der
Fusion stehen dürfte (s.o.),
ihre Lektion aus der Finanzkrise
der Jahre 2008ff nicht gelernt.
Denn es war doch gerade das „Too
big too fail“-Mantra, das sie
angesichts des wirtschaftlichen
Scheiterns einiger forscher
Hasardeure so erpressbar machte.
Nun sieht man wieder einmal mehr
als nur wohlwollend dabei zu,
wie ein neuer Gigant mit
erheblichem Erpressungspotenzial
entsteht. Da stellt sich doch
die Frage: Wozu soll das
eigentlich gut sein?!
Effizientes Versagen
Es gibt für gewöhnlich zwei
Begründungen, wenn es zu einem
Flugzeugabsturz gekommen ist:
Menschliches oder technisches
Versagen. Im Fall des Dramas bei
Boeing dürfte es eine dritte
Kategorie geben: „Effizientes
Versagen“. Denn es dürften weder
die Piloten noch das Material
gewesen sein, dass zweimal dafür
sorgte, dass Flugzeuge des Typs
Boeing 737 Max 8 nahezu
senkrecht in den Abgrund
stürzten. Vielmehr dürfte es das
hemmungslose Geschäftsgebaren
des Herstellers gewesen sein.
Statt ein grundlegend neues
Modell für die Kurz- und
Mittelstrecke auf den Markt zu
bringen haben die Manager auf
die x-te Überarbeitung eines
Flugzeugtyps gesetzt, der in
seinen Grundzügen auf die 60er
Jahre zurückgeht. Durch neue
Triebwerke und einen leicht
veränderten Rumpf ergab sich
jedoch ein neuer Schwerpunkt,
der zu einem veränderten
Flugverhalten führte. Doch auch
darauf hatte das Management von
Boeing erneut eine Antwort, die
weniger durch
Ingenieurs-Know-how als durch
Renditedruck begründet war. Denn
Boeings Konstrukteure setzten
auf eine Softwarelösung, um den
Konstruktionsfehler auszubügeln.
Nimmt der Anstellwinkel einen
besorgniserregenden Wert an,
übernimmt eine Software namens
MCAS (Maneuvering
Characteristics Augmentation
System) die automatische
Steuerung.
Kontrolle ohne Kontrolleure
Doch auch dabei ergibt sich
wieder ein Problem: Denn statt
wie in der Luftfahrt üblich
setzt dieses System angeblich
nicht auf redundante Sensoren.
Ein einzelner Sensor gibt
offenbar den Aussachlag, ob den
Piloten das Heft aus der Hand
genommen wird. Ohne großen
Erfolg, wie die frappierenden
Parallelen zwischen den beiden
Abstürzen in Äthiopien und dem
Crash vor wenigen Monaten in
Indonesien zeigen. Doch auch
nach dem Crash laufen hier viele
Dinge anders als erwartet: Statt
den Flugschreiber von
US-Experten und Ingenieuren aus
dem Hause Boeing untersuchen zu
lassen, schickten die Äthiopier
den Flugschreiber zur Auswertung
nach Paris – ein eindeutiges
Misstrauensvotum gegen den
Hersteller. Weltweit begannen
schließlich die
Luftfahrtbehörden der 737 Max 8
die Erlaubnis zu entziehen,
lediglich die US-Behörde FAA
hielt Boeing die Stange. Erst
als Präsident Trump mit einem
speziellen Dekret auch für den
US-Luftraum die Erlaubnis
entzog, blieben die fraglichen
Flieger auch dort auf dem Boden.
Bereits in der Vergangenheit
soll es eine unglaubliche Nähe
zwischen den Aufsehern und dem
Hersteller gegeben haben.
Bedingt durch die enorme
Komplexität moderner Flugzeuge
habe die Behörde nur noch grobe
Vorgaben erteilt. Die Details
durften teilweise angeblich
sogar Boeing-Mitarbeiter im
Auftrag der FAA zertifizieren.
Abnahmen von technischen Details
gab es vermutlich kaum,
stattdessen wurde Boeing
geholfen, seine Modelle schnell
auf den Markt zu bringen.
Wird auch die Aktie
„gegroundet“?
Boeing hatte viele Jahre in
einer Jagd nach Effizienz und
immer höheren Renditen schlicht
vergessen, technologisch
zeitgemäße Produkte zu bauen.
Das man dabei offensichtlich
sogar Sicherheitsbedenken zur
Seite wischte, wird nun teure
Folgen haben. Neben dem
„Grounding“ der mehreren hundert
bis heute ausgelieferten Modelle
wird Boeing natürlich die teuren
Kosten der Software- oder gar
Hardware-Nachrüstung tragen
müssen. Doch das ist nur die
Spitze des Eisbergs: Im vierten
Quartal 2018 mache der 737
Max-Typ bereits fast die Hälfte
aller Auslieferungen aus. 2019
sollte das Modell der mit
Abstand größte Umsatzbringer
sein. Mit einem Kursverlust von
lediglich 16% vom All-Time-High
und einer nach wie vor luftigen
Bewertung (2019er KGV von 19)
scheint die Börse noch nicht mal
ein mehrmonatiges „Grounding“
einzupreisen. Der Konkurrent
Airbus steht mit seinem A320neo
übrigens bestens da, um dem
Konkurrenten lukrative Aufträge
abzunehmen. Optimistisch stimmen
dürfte Anleger, dass Boeing 2013
mit der 787 ähnliche Erfahrungen
gemacht hat. Damals war ein
Batteriesystem in Brand geraten,
die komplette Flotte musste fast
vier Monate am Boden bleiben.
Angesichts zweier heftiger
Crashs ist die Lage nun jedoch
gefährlicher. Auf Unterstützung
der Politik scheint Boeing
bislang nicht hoffen zu können.
Dies dürfte sich allerdings
spätestens dann ändern, wenn
Arbeitsplätze und die
Wettbewerbsfähigkeit der
US-Luftfahrtbranche in Gefahr
sind.
Zu den Märkten
Trotz der etwas
missverständlichen Formulierung
zwischen SIW
11/2019 und Musterdepot
11/2019 haben wir bereits
in der Vorwoche erneut
Absicherungen auf den DAX
erworben. Mehr dazu im Musterdepot
12/2019. Was gestern
zunächst noch etwas voreilig
ausgesehen haben mag, hat sich
dann mit dem heutigen
Kursrückgang als gar nicht so
falsch erwiesen. Mehrfach haben
wir auf die sehr starke
Widerstandszone im Bereich von
11.800 bis 12.000 Punkten und
den inzwischen übergekauften
Zustand beim DAX hingewiesen.
Zudem wurde gestern auch noch
die obere Begrenzung einer
aufwärts gerichteten und damit
negativ zu interpretierenden
Keilformation getestet (vgl.
Abb., rote Linien). Vor dem
Hintergrund einer zunehmend
eingetrübten Konjunkturerwartung
ist dies fast eine Steilvorlage
für eine erneute
Abwärtskorrektur. In dem Maße,
wie das Momentum aus dem Markt
schwindet, könnte es in den
nächsten Wochen und Monaten
daher sogar zu einer
gesteigerten
Verkaufsbereitschaft der
Marktteilnehmer kommen. Vorsicht
bleibt hier also weiter
angesagt.
Let’s App!
Kennen Sie eigentlich unsere
Smart-Investor-Apps? Nein, dann
sollten Sie sie unbedingt
kennenlernen. Denn als Abonnent
haben Sie den Smart Investor
damit stets griffbereit auf
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Musterdepot Aktien &
Fonds
Im Bereich „Highlights/Musterdepot“
auf unserer Homepage berichten
wir über einen erfolgten und
einen noch offenen Kauf. Sie
können sich dort durch einfaches
Blättern einen schnellen
Überblick über die Transaktionen
der letzten Wochen verschaffen.
Die Zukunft des Goldes
Wie in unseren letzten
Publikationen herausgearbeitet
rechnen wir für die kommenden
Jahre mit einem neuen großen
Aufwärtstrend bei den
Edelmetallen. Am 24. März 2019
(Sonntag) veranstaltet passend
dazu unser langjähriger
belgischer Kooperationspartner
Brecht Arnaert eine exklusive
Konferenz mit dem Titel „The
Future of Gold“ in Breda
(Niederlande). Der frühere
Vize-Präsident von Morgan
Stanley, Diederik Schmull, wird
dort ebenso sprechen wie der
unseren Lesern seit Jahren
bekannte Gold-Fachmann Dimitri
Speck („Geheime Goldpolitik“).
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unsere Abonnenten die
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auf 245 EUR zu drücken – eine
Ersparnis von über 50% oder 254
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diesem Event finden Sie unter
nachfolgendem Link:
Mit dem Reigen der Börsentage
und Anlegermessen geht es munter
weiter. Am 23. März ist es in
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Börsentag München, quasi ein
Heimspiel direkt vor unserer
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diesem Börsentag finden
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Smart Investor 3/2019
Titelstory:
Postsozialismus – Zwischen Asche
und Auferstehung
Dividenden:
Linke Tasche, rechte Tasche, oder
sinnvolle Strategie?
China:
Die Strategie des Drachens
Antrieb der Zukunft:
Wasserstoff als Alternative zu
gängigen Lithium-Akkus?
Fazit
Ob hinter dem möglichen Zusammenschluss
von Deutsche Bank und Commerzbank
wirtschaftliche Logik steckt, darf
bezweifelt werden. Bei Boeing scheint
dagegen die Kehrseite allzu
wirtschaftlicher Überlegungen sichtbar
zu werden.
Christoph Karl, Ralph Malisch
Hinweis
auf mögliche Interessenkonflikte:
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