Mit zwei Worten konnte Fed-Chef Powell den Börsen die Nervosität nehmen
Eine „angemessene Reaktion“
Nicht selten kommt es an der Börse exakt anders als man denkt. So auch in der letzten Woche. Am Wochenende zuvor hatte US-Präsident-Trump die von ihm so geliebte Zoll-Waffe auch gegen den Nachbarn Mexiko angewandt – nicht etwa aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um den Nachbarn zu einer strikteren Kontrolle seiner Grenze zu den USA zu animieren. Den Börsen schmeckte diese Nachricht überhaupt nicht, zu unberechenbar erschien die Trump‘sche Verhandlungstaktik. Die große Überraschung: In den letzten Tagen setzten die Märkte zu einer kleinen Aufholjagd an. Eine Rally, die nüchtern betrachtet eigentlich keinen Sinn ergab. Der wesentliche Grund dafür dürfte weniger die Einigung mit Mexiko, sondern die Äußerungen von Fed-Chef Powell sein, der erklärte, eine „angemessene Reaktion“ auf den Handelskrieg zwischen den USA und China finden zu wollen. Für die Börsianer ist damit klar, dass die Zeiten einer restriktiven Geldpolitik endgültig vorbei sein dürften. An den Terminmärkten werden mittlerweile die Chancen auf eine erste Zinssenkung im Juli bei knapp 70% gesehen. Die Stabilität der Börsen dürfte also zu einem großen Teil vom sogenannten „Powell-Put“ abhängen. Der Fed-Chef machte schließlich ziemlich klar, dass er die Börsen nicht hängen lassen würde.
Trump-Put
Was Donald Trump nicht davon abhält, die Notenbank via Twitter immer wieder für ihre angeblich viel zu restriktive Geldpolitik zu kritisieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Tweet, den der Präsident gestern absetzte: Darin erklärte sich Trump mit der Performance des Aktienmarktes zufrieden, die Investoren würden allerdings das massive Wachstumspotential unterschätzen, das die USA hätten. Erst am Montag ließ sich der Präsident telefonisch zum Börsensender CNBC durchstellen, um dort erneut niedrigere Zinsen zu fordern und seine Zölle als Erfolgsrezept zu feiern. Einige Hinweise, die zeigen, dass der Präsident die Entwicklung des Aktienmarktes eng verfolgt und möglicherweise sogar als Entscheidungsgrundlage verwendet. Trumps Handeln scheint stets unmittelbar davon abzuhängen, was er im Fernsehen und auf Twitter wahrnimmt. Wie weit er es mit seinen Zoll-Drohungen treibt, dürfte unmittelbar von der Performance der Märkte abhängen. Neben dem „Powell-Put“ dürfte es also auch den „Trump-Put“ geben, der den Märkten eine gewisse Sicherheit gibt. Zwar haben die Börsen in der Vergangenheit auch trotz derartiger politischer Unterstützung Korrekturen hingelegt, einen kompletten Absturz dürfte der „doppelte US-Put“ jedoch verhindern.
Zu den Märkten
Eine ziemlich spannende Situation entwickelt sich gerade im DAX. Der Index schaffte es, sich aus dem in der Vorwoche eingezeichneten Abwärtstrend (roter Kanal) zu lösen. Ganz entschieden ist die Schlacht allerdings noch nicht, denn es besteht die Möglichkeit eines erneuten Absinkens in diesen Kanal. Hält sich der Index aber oberhalb und kann seine Gewinne möglicherweise sogar ausbauen, dann würde sich dieses Zwischenspiel als Flaggenkorrektur auf den vorherigen Aufwärtstrend (blauer Kanal) erweisen. Und genau dies ist die Implikation einer solchen Korrekturbewegung: Die Wiederaufnahme des bis dahin vorherrschenden Trends. Dazu würde auch der erfolgreiche Test der vielbeachteten 200-Tage-Linie passen (vgl. Abb., grüne Linie). Die Fortsetzung des Aufwärtstrends muss übrigens nicht innerhalb des vorherigen Aufwärtstrendkanals erfolgen, irgendein Aufwärtstrend reicht. Soweit ist es allerdings noch nicht. Denn im Moment ist der Kampf um das Ausbruchsniveau noch in vollem Gange (vgl. Abb., hellgrüne Markierung rechts). Sollte der Kurs wieder darunter zurückfallen, läge ein Fehlsignal mit den entsprechenden negativen Implikationen vor.
Einen Schritt zurück…
An dieser Stelle wollen wir auch einmal dafür plädieren, gelegentlich einen Schritt zurückzutreten – besonders als Anleger mit eher mittel- bis langfristiger Perspektive. Wir sehen dann in der Mitte des Charts die an dieser Stelle oft beschriebene Schulter-Kopf-Schulter-Formation (vgl. Abb., blaue Markierungen). Wer glaubt, dass aus dieser Formation noch zwingend erhebliches Abwärtspotenzial abzuleiten wäre, hat zumindest die Charttheorie nicht auf seiner Seite. Denn das Mindestkursziel wurde bereits mit den Paniktiefs zum Jahresende 2018 erreicht. Zur Erinnerung: Dieses Mindestkursziel erhält man, indem man die Strecke vom höchsten Punkt des Kopfes bis zur Nackenlinie am Ausbruchsniveau nach unten abträgt (vgl. Abb., blaue Doppelpfeile). Natürlich kann es letztlich sehr viel tiefer gehen, nur zwingend ist dies eben nicht. Schließlich sind solche Formationen grundsätzlich lediglich von statistischer Natur, weshalb nicht einmal für das Erreichen solcher Mindestkursziele irgendwelche Garantien abgegeben werden können. Es handelt sich dabei eher um Arbeitshypothesen, die gegebenenfalls auch wieder zu verwerfen sind, sofern sich die reale Kursentwicklung nicht der Erwartung folgt.
Zwei Schritte zurück…
Wenn wir den Blick noch etwas weiten, stellen wir fest, dass die Aufwärtsbewegung der letzten Monate praktisch punktgenau auf dem Niveau des damaligen Allzeithochs vom April 2014 endete – ein Allzeithoch, das immerhin satte drei Jahre Bestand hatte (vgl. Abb., gestrichelte grüne Waagrechte). Das ist nun keine Esoterik und möglicherweise auch nicht einmal das ominöse „Gedächtnis des Marktes“, das sich hier manifestiert hat. Aber bemerkenswert ist es allemal, dass die Marktteilnehmer auf dem fast gleichen Niveau erst einmal erneut kalte Füße bekommen haben. Schließlich ist den meisten ja noch schmerzlich bewusst, wie dünn die Luft in den Regionen über 12.400 Punkten war. Vergleicht man den DAX mit dem US-amerikanischen S&P500, dann ist schon auffällig, dass die US-Blue-Chips heute gut 55% über dem damaligen Niveau stehen, während der DAX darunter notiert. Damit spiegelt der DAX über inzwischen fünf Jahre per Saldo weder Aufschwung noch Baisse wider, sondern einfach nur Stillstand.
Fazit
Nicht jeder Tweet von Donald Trump ist eine richtungsweisende Entscheidung. Ein bisschen mehr Gelassenheit würde vielen Marktteilnehmern guttun, wie die letzte Woche gezeigt hat.
Christoph Karl, Ralph Malisch
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