Die
digitale Medizin birgt großes Potenzial. Zwar
erleben Technologie-Werte derzeit starke Rücksetzer,
doch der Gesundheitsmarkt ist deutlich robuster. Was
das für Digital-Health-Aktien bedeutet und warum
aktuelle Übernahmen ein gutes Zeichen sind, das
erläutert Hendrik Lofruthe, Portfolio Manager
Healthcare der Apo Asset Management GmbH (apoAsset).
Die
Börsen sind aktuell extrem volatil, da mehrere
Stressfaktoren zusammenkommen: Zinswende, Krieg,
Inflation, Lockdowns in China und vieles mehr. Während
Technologie-Aktien den stärksten Kursrückgang der
vergangenen 30 Jahre erlebten*, beweist der
Gesundheitssektor seine defensive Stärke. Die Aktien
großer Pharma-Unternehmen sind derzeit geradezu ein
sicherer Hafen.
Kurskapriolen
à la Netflix und Teladoc
Der Technologiesektor tickt anders. Das zeigt etwa
Netflix, dessen Börsenwert sich um -67 %* reduzierte,
nachdem im 1. Quartal die Zahl der Abonnenten gesunken
war. Dabei wurde in dieser Phase ein Gewinn von 1,6
Mrd. US-Dollar erzielt. Bei einigen Aktien ist das
eine gesunde Korrektur, in anderen Fällen sind es
irrationale Kursverluste. Ähnliches war im Bereich
Digital Health zu beobachten, etwa beim
Telemedizin-Unternehmen Teladoc. Hier ging der Kurs
seit Jahresbeginn um rund -65 %* zurück, nachdem das
stark wachsende Unternehmen seine Erwartungen für 2022
nach unten korrigiert hatte.
Digital-Health-Aktien
tun sich im aktuellen Kapitalmarktumfeld
vergleichsweise schwer, da sie vielfach als
Wachstumstitel zu bewerten sind. Die Märkte suchen
kurzfristig eher nach Value-Titeln, also Aktien, die
günstig bewertet sind, auch wenn sie vielleicht nicht
besonders stark wachsen. In diesem Umfeld schlagen
sich auch kleinere Unternehmen deutlich schlechter als
große. Diese zwei Faktoren haben im laufenden Jahr für
Gegenwind gesorgt, sollten aber nicht von Dauer sein.
Günstige
Bewertungen bieten Einstiegkurse
Wir sehen die aktuelle Schwäche deshalb als
Einstiegsgelegenheit. Die Bewertungen haben sich seit
den Hochpunkten des Vorjahres fast halbiert und sind
damit wirklich attraktiv. Viele Digital-Health-Titel
handeln zu Vor-Covid-Kursen, was fundamental nicht
gerechtfertigt ist. Denn Umsätze, Gewinne und
Geschäftsmodelle haben sich positiv weiterentwickelt.
Wir halten die Verluste daher überwiegend für
übertrieben und kaufen eher wieder zu.
Welche
Digital-Health-Bereiche besonders gute Perspektiven
bieten
Große Fortschritte sehen wir zurzeit bei
Dienstleistern, die Services anbieten, um die
Behandlungskette effizienter zu nutzen. Dabei gibt es
verschiedene Geschäftsmodelle, die sich teilweise an
Patientinnen und Patienten wenden, teilweise an die
Ärzteschaft oder an Krankenversicherungen. Auch in der
Medizintechnik bringt die Digitalisierung einen
spürbaren Mehrwert, etwa für Diabetestherapien.
Drahtlose Systeme zur Blutzuckermessung und
Insulin-Infusion ermöglichen nicht nur klinisch
bessere Ergebnisse, sondern auch eine Steigerung der
Lebensqualität.
Mittelfristig wird zudem die Prävention deutlich
wichtiger werden. Hier kommen dann Unternehmen ins
Spiel, die mit digitalen Diagnose- und
Monitoring-Lösungen punkten können, zum Beispiel bei
Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Aktuelle
Übernahmen durch Microsoft, Stryker, Oracle &
Co.
Wie attraktiv das ist, zeigen auch mehrere laufende
Übernahmen. Microsoft hat im Frühjahr den Kauf von
Nuance abgeschlossen, das auf KI für Gesundheit
spezialisiert ist. Das Orthopädie-Unternehmen Stryker
hat kürzlich Vocera übernommen, das digitale
Kommunikation für Kliniken anbietet. Oracle kauft
gerade den Krankenhaus-IT-Spezialisten Cerner.
Übernahmen werden mit Prämien bis zu 40 % über dem
Marktwert bezahlt. Zum Beispiel bezahlte Vera Whole
Health für Castlight einen Aufschlag von ca. 36 % auf
den letzten gehandelten Kurs. United Health bot für
Change Healthcare sogar 41 % mehr.
Weitere
Gründe für positiven Ausblick
Die Zinserwartungen sind inzwischen teilweise
eingepreist, der Druck von dieser Seite sollte also
nachlassen. Zudem gilt: Megatrend sticht Börsentrend.
Wie wichtig die beiden Megatrends Gesundheit und
Digitalisierung für die gesamte Weltwirtschaft sind,
hat die Pandemie gezeigt. Die Digitalisierung ist für
die Tragfähigkeit und Weiterentwicklung der
Gesundheitssysteme langfristig unabdingbar. Solche
Megatrends wirken dauerhaft über Jahre und Jahrzehnte
und reichen damit weit über Börsentrends und
Konjunkturzyklen hinaus.
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Zeitraum 1.1.-18.5.2022, Quelle Morningstar
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