In der Politik sind Gefühle
Fakten, sagte Bayerns ehemaliger
Ministerpräsident Edmund Stoiber
vor einigen Jahren. Zu
beobachten ist dieses Phänomen
gerade wieder in Berlin, wo das
Gefühl eines großen Teiles der
Bevölkerung ist, dass die Mieten
langsam unbezahlbar geworden
sind. Am Wochenende kanalisierte
sich dies schließlich in einer
Demonstration gegen den
„Mietwahnsinn“ und der absurden
Forderung des Grünen-Chefs
Habeck, große private
Immobiliengesellschaften wie die
Deutsche Wohnen zur Not zu
enteignen. Zwar gibt es ein
Recht auf freie
Meinungsäußerung, die aktuelle
Debatte darf jedoch gleichzeitig
als eine Art von groß angelegtem
öffentlichen Intelligenztest
angesehen werden – den weder
Habeck noch die Berliner
Aktivisten bestehen. Denn
während viele ökonomische
Sachverhalte so komplex sind,
dass große Teile der Bevölkerung
diese in der Tat kaum verstehen
können, ist es in diesem Fall
eigentlich relativ einfach: Es
gibt zu wenig Wohnraum bei einer
gleichzeitig stark wachsenden
Bevölkerung in den
Ballungszentren, was zu
steigenden Mieten führt. In der
Theorie sollte dies nun auch zu
steigendem Interesse von
Investoren führen, weiteren
Wohnraum zu schaffen. In der
Realität sieht es ein bisschen
anders aus.
Zwar haben Nullzinsen und
Eurokrise auf der einen Seite zu
enormer Nachfrage nach Betongold
geführt, diverse staatliche
Eingriffe wie die
Mietpreisbremse oder neue
Bauvorschriften haben jedoch die
Neubauaktivität eher gebremst
statt entfacht. Mit dem
Ergebnis, dass zwar die Mieten
zugelegt haben, die
gleichzeitige Explosion der
Kaufpreise jedoch dafür sorgt,
dass auch Immobilienbesitzer
jammern – über viel zu geringe
Mietrenditen! Ob Habeck solche
Investoren durch seine Forderung
zusätzlich verschreckt ist
eigentlich lediglich eine
rhetorische Frage. Mit seinen
Enteignungsplänen würde per se
keine einzige neue Wohnung
geschaffen, stattdessen aber auf
jeden Fall der eine oder andere
Neubau verhindert. Über
derartiges ökonomisches
Analphabetentum haben wir uns
bereits im
Loch in der Matrix in der
letzten Woche ausgelassen.
Auch ohne
Volkswirtschaftsstudium dürften
die Berliner möglicherweise zu
demselben Fazit kommen wie Dr.
Markus Krall, der gestern dazu
twitterte: „Wer in Berlin jetzt
Wohnungen enteignen will, sollte
sich eine einfache Frage
stellen: Sollen die gleichen
Leute, die für den Flughafen BER
zuständig sind, jetzt auch für
meine Wohnung zuständig sein?“
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Zwar entlädt sich der Unmut der
Berliner aktuell vor allem zum
Thema „Mietwahnsinn“. Im Kern
geht es jedoch um Ungleichheit
und das Gefühl des
Abgehängtseins der breiten
Masse. Genau dieses Thema treibt
im Moment auch die Hedgefonds-Legende
Ray Dalio um, der den
Kapitalismus an sich in Gefahr
sieht. Nach seiner Analyse ist
das größte gesellschaftliche
Problem unserer Zeit der nicht
mehr existente „American Dream“.
Dies sei gefährlich, weil es das
Risiko für eine Revolution
erhöhe. Mit jeder Menge
Statistiken versucht er zu
belegen, dass die Einkommens-
und Vermögensschere heute so
weit auseinander klaffe, dass
ein wirklicher Aufstieg – im
Unterschied zu seiner eigenen
Jugend – heute nicht mehr
möglich sei. Es geht jedoch um
mehr als nur Geld: Auch der
fehlende Zugang zu einer
vernünftigen Bildung sei gerade
in Zeiten wie den heutigen
politischer Sprengstoff.
Interessanterweise gibt Dalio
dafür jedoch niemandem die
Schuld. Die Verhältnisse seien
weder auf böse reiche Menschen
zurückzuführen, die schlechte
Dinge mit armen Menschen machen,
noch auf faule, arme Menschen
und bürokratische Ineffizienzen.
Stattdessen würden alle guten
Dinge ab einem gewissen Moment
selbstzerstörerisch. Der
Kapitalismus habe selbst
verstärkende Schleifen gedreht
und laufe nun Gefahr, sich
selbst zu zerstören.
Soweit die Analyse, an der es
wenig auszusetzen gibt. Die
Dalio’sche Lösung des Problems
ist ein Plädoyer für die Mitte –
in Teilen jedoch auch ein Flirt
mit dem Dirigismus. Zu seinem
Maßnahmenkatalog zählen richtige
Elemente wie eine
„Reorganisation des Systems“,
Politiker, die stärker an den
Ergebnissen ihres Handelns
gemessen werden oder die
stärkere Fokussierung von
politischen Entscheidungen am
„Return on Investment“ statt an
sinnlosen Budgets. Politische
Kräfte aller Lager sollen
kooperieren um das bestmögliche
Ergebnis zu erzielen. Dalio
fordert jedoch auch steuerliche
Umverteilung, die in Dalios
idealer Welt allerdings keine
Wohlstandsverluste zu Folge
hätte. Die Geldpolitik solle
schließlich nicht nur den oberen
Teil der Gesellschaft und deren
Assets fördern, sondern auch die
Produktivität der ärmeren Hälfte
adressieren – in anderen Worten:
„Helikopter-Geld“. Mit diesen
Aussagen macht es sich Dalio
denkbar einfach. Er glaubt zu
wissen, wie man intelligent
umverteilen könne, um das
Vertrauen der Menschen in das
System zurückgewinnen zu können.
Lösungen, wie die von Dalio,
mögen im ökonomischen Labor bei
seinem Hedgefonds Bridgewater
einleuchtend erscheinen, den
Realitätscheck haben sie jedoch
noch lange nicht bestanden.
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Heute kommen die Staats- und
Regierungschefs der EU-Staaten
zu einem Sondergipfel zusammen.
Thema wird wieder einmal der
Brexit sein. Genauer gesagt geht
es um eine Fristverlängerung für
den britischen Austrittswunsch.
Es gilt im Vorfeld als sicher,
dass den Briten eine weitere
Verlängerung gewährt wird.
Ansonsten wäre nämlich diesen
Freitag Schluss mit der
EU-Mitgliedschaft des nur
leidlich Vereinigten
Königreichs. Den No-Deal-Brexit
fürchtet man vor allem auch in
Brüssel, teils mehr als in
London. Aber selbst um eine
Verschiebung gibt es Streit.
Während die britische Regierung
lediglich eine kurze
Verlängerung bis 30. Juni
anstrebt, nicht zuletzt um den
Druck aufrechtzuerhalten, wollen
die verbleibenden EU-Staaten
eine längere Frist anbieten. Was
wie ein Geschenk aussieht, ist
keines. Denn bei diesem Spiel
auf Zeit wird es
wahrscheinlicher, dass die
Briten letztlich doch noch ganz
von ihrem Vorhaben ablassen.
Pikant sind die Details einer
Verlängerung: Denn offenbar
besteht die EU darauf, dass die
Briten bei der Europawahl
ebenfalls zur Urne gerufen
werden, während sie andererseits
bei entscheidenden
Weichenstellungen wie der Wahl
des neuen Kommissionspräsidenten
dann nicht mehr mitstimmen
sollen.
An ihren Taten …
Nach wie vor ist nicht
vollkommen geklärt, wer oder was
den Kurssprung beim Bitcoin in
der Vorwoche ausgelöst hatte.
Häufig zitiert wird Oliver von
Landsberg-Sadie, Chief Executive
of Cryptocurrency bei der BCB
Group: „Es gab einen einzigen
Auftrag, der algorithmisch über
diese drei Standorte hinweg
verwaltet wurde, in Höhe von
etwa 20.000 BTC. … Wenn man sich
die Volumina an jeder dieser
drei Börsen ansieht, gab es
konzertierte, synchronisierte
Volumeneinheiten von rund 7.000
BTC in einer Stunde.“ Aus der
algorithmischen Aufteilung der
Order wurde mancherorts
geschlossen, dass diese Order
auch durch einen Algorithmus
ausgelöst wurde. Das ist bei
einem seltenen Ereignis dieser
Größenordnung schwer
vorstellbar. Wahrscheinlicher
ist da schon, dass ein Mensch
hinter der eigentlichen
Kaufentscheidung steckte. Bei
der Motivforschung muss man fast
neutestamentarisch werden: „An
ihren Taten sollt ihr sie
erkennen.“ Und da dürfte es sich
tatsächlich um den Versuch einer
Initialzündung für den seit
Monaten dahindämmernden
Bitcoin-Kurs gehandelt haben.
Interessewahrend war diese
Order, wie
in der Vorwoche beschrieben,
jedenfalls nicht. Ob nun konkret
der kolportierte ominöse Russe
oder einer der sogenannten
Bitcoin-„Wale“ dahinter steckte,
ist aber letztlich auch gar
nicht entscheidend.
Spüren Sie FOMO?
Entscheidend ist, dass hier
vergleichsweise großes Geld in
die Hand genommen wurde.
Entscheidend ist ferner, dass
der Kurs nach dem 20%-Sprung
nicht wieder in sich
zusammengebrochen ist. Schon
macht FOMO die Runde – das ist
die „Fear of Missing out“, also
die Angst davor, beim nächsten
großen Kursaufschwung nicht
dabei zu sein. Mission erfüllt.
Denn wie solche Kursaufschwünge
aussehen können, ist vielen noch
in bester Erinnerung und
entsprechend bedarf es nur
weniger zusätzlicher
Geschichten, um die Phantasie
erneut anzufachen. Eine dieser
Geschichten ist das nächste
„Halving“ beim Bitcoin-Mining,
das im Mai 2020 – also in mehr
als einem Jahr – ansteht, und
angeblich bereits heute
Auswirkungen auf die Kursbildung
haben soll. Auch das ist eine
Form von FOMO. Bei einem solchen
Halving wird nämlich die
Belohnung für die Bitcoin-Miner,
die diese in Form von frischen
Bitcoins erhalten, wieder einmal
halbiert. Das wird
fälschlicherweise so
dargestellt, als werde sich das
Bitcoin-Angebot ab diesem Termin
halbieren. Tatsächlich wird sich
lediglich das zusätzliche(!)
Angebot durch das Mining
halbieren. Das fällt aber im
Vergleich zu den bereits
vorhandenen, rund 17,6 Millionen
Bitcoins ohnehin immer weniger
ins Gewicht. Das Halving im Jahr
2020 entpuppt sich bei genauerem
Hinsehen also als ein ziemlich
lächerliches Scheinargument mit
starkem Marketing-Charakter.
„Innere“ Werte
Funktionieren kann es trotzdem,
denn, wie ebenfalls in der
Vorwoche an dieser Stelle
beschrieben, werden Kryptos
praktisch alleine aufgrund von
Markttechnik und Meinung
gehandelt, wobei es zwischen
beiden Bereichen erhebliche
Rückkopplungen gibt. Nun – also
nach dem Kurssprung – tauchen
tatsächlich schon wieder
Analysten auf, die sich allen
Ernstes nicht entblöden, dem
Bitcoin einen inneren Wert von
6.500 USD, 8.000 USD oder
irgendeine andere x-beliebige
Zahl zuzuschreiben. Auch das ist
Marketing, denn diese Werte
liegen auf geradezu wundersame
Weise oberhalb des aktuellen
Preises. Kurse machen
Nachrichten, Meinungen und in
besonderem Maße Analysen. Und
auch Technische Analysten sehen
nun frisches Momentum und
spüren, wie all die anderen, die
Wirkung von FOMO. Dennoch kann
man hier durchaus mit begrenzten
Mitteln und mit der nötigen
inneren Distanz gegenüber
Geschichten und
Geschichtenerzählern ein
spekulatives Engagement wagen.
Wie man das auch ohne Zugang zu
einer Krypto-Börse umsetzt,
erklären wir in
unserer Rubrik Musterdepot.
Zu den Märkten
Eine interessante Konstellation
ergibt sich derzeit beim DAX.
Zwar konnte die wichtige
Widerstandszone im Bereich von
11.800 bis 12.000 Punkten
komplett durchschritten werden,
unmittelbar danach ging dem
deutschen Leitindex aber erst
einmal die Luft aus (vgl. Abb.,
rote Markierung). Es ist nicht
so ungewöhnlich, dass Märkte
bestimmte Marken „sehen“ wollen
und ihnen dann, nach dem
Erreichen dieser Marken, erst
einmal die Orientierung verloren
geht. Dieser Effekt ist umso
wahrscheinlicher, je
übergekaufter der Zustand in dem
Moment ist, wo das Ziel
angelaufen wird. In diesem Fall
legte der DAX im Vorfeld einen
eindrucksvollen Spurt hin, um
dann an Schubkraft zu verlieren.
Und gerade weil wir unter diesen
Voraussetzungen kurzfristig über
die 12.000er gesprungen sind,
ist hierin auch nicht das
klassische Fehlsignal zu sehen.
Die plausibelste Interpretation
ist für uns, dass nun erst
einmal der übergekaufte Zustand
abgebaut wird. Dann könnte es
durchaus zu einem weiteren
Durchbruchsversuch über die
umkämpfte 12.000er Marke kommen.
Musterdepot Aktien &
Fonds
Im Bereich „Highlights/Musterdepot“
haben wir heute zwei Neuerwerbe
für Sie auf Lager! Sie können
sich dort durch einfaches
Blättern einen schnellen
Überblick über die Transaktionen
der letzten Wochen verschaffen.
Smart Investor 4/2019
Titelstory:
Minenfeld Mine
Freie Privatstädte:
Die Eigenverantwortung vom Staat
zurückholen
Europawahl:
Symbol-, keine Schicksalswahl
Aktie im Blickpunkt:
Gazprom – die wohl billigste Aktie
der Welt
Fazit
So real die Probleme sind, die Ray
Dalio in seinem neuen Artikel benennt,
so utopisch sind einige seiner
Lösungsansätze.
Christoph Karl, Ralph Malisch
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